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Die Kommission als europäische Regierung

Der Vorschlag Fischers enthält zwei Möglichkeiten für die Bildung einer europäischen Regierung. Entweder soll sie aus der Fortentwicklung des Europäischen Rates entstehen, also aus den nationalen Regierungen heraus gebildet werden, oder man geht, ausgehend von der bestehenden Kommissionsstruktur zur Direktwahl eines Präsidenten mit weitgehend exekutiven Befugnissen über. Beide Optionen haben entscheidende Nachteile. Die erste Option fördert nicht nur die Renationalisierung und Intergouvernementalisierung der Union, indem nationale Regierungen sowohl bei der Vorbereitung, Entscheidung und Verwaltung europäischer Politik eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus ist fraglich, ob und inwieweit nationale Fachminister schon von ihrer Arbeitskapazität her in der Lage wären, neben ihrem jeweiligen nationalen Ressort noch das entsprechende europäische zu regieren. Die zweite Option umgeht diese Probleme, ist jedoch nicht realistisch. Die Direktwahl eines Kommissionspräsidenten setzt ein entwickeltes europäisches Parteiensystem und einen entsprechenden Wettbewerb zwischen europaweit agierenden Parteien voraus. Beides ist derzeit nicht in Sicht. Die gleichen Gründe sprechen auch gegen die Option, den Kommissionspräsidenten aus der Mitte des Europäischen Parlamentes zu bestimmen.

Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, an der bisherigen Praxis der Bestellung und politischen Kontrolle der Kommission festzuhalten, die sowohl Rat als auch Parlament miteinbezieht. Danach werden die Mitglieder der Kommission (einschließlich des Kommissionspräsidenten) weiterhin durch den Europäischen Rat bestimmt. Das Parlament ist insofern beteiligt, als es der Ratsentscheidung zustimmen muß und per Mißtrauensvotum mit absoluter Mehrheit die Auflösung der Kommission verlangen kann.

Wesentlich dringlicher als Probleme der Bestellung und Kontrolle der europäischen Exekutive ist die Frage ihrer Zusammensetzung. Hierzu enthält das Konzept Fischers keine konkreten Vorschläge. Auch der von Gerhard Schröder geäußerte Vorschlag, jeden Mitgliedstaat unabhängig von seiner Größe mit einem Kommissar zu repräsentieren, erscheint wenig sinnvoll. Eine aus 30 Kommissaren mit zugehörigen Generaldirektionen bestehende europäische Regierung würde eine unnötige Aufblähung der europäischen Bürokratie implizieren. Will man die Ziele einer schlanken und effizienten und gleichzeitig repräsentativ zusammengesetzten europäischen Exekutive in einer erweiterten Europäischen Union verwirklichen, bieten sich eine andere Lösung an. Man kann den Spielraum für die nationale Repräsentation dadurch erhöhen, daß neben maximal 20 Kommissaren auch die jeweiligen Generaldirektoren (ähnlich den deutschen Staatssekretären) in die Verfügungsmasse politisch zu verteilender Positionen aufgenommen werden. Da die Erweiterung ja Schritt für Schritt vor sich gehen wird, wäre ein allmählicher Übergang von beamteten zu politischen Generaldirektoren möglich.


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