Im Vergleich zur jetzigen Union implizieren die Vorstellungen von Fischer zur Europäischen Föderation sowohl Entdemokratisierung als auch Renationalisierung. Das derzeit direkt gewählte europäische Parlament würde durch eine Kammer ersetzt, die aus Delegierten der nationalen Parlamente besteht. Wer die Arbeitsbelastung der Europaabgeordneten kennt, weiß, daß eine solche Lösung, die dem nationalen Parlamentarier zusätzlich die beträchtliche europäische Rechtsetzungsarbeit aufbürdet, schlicht impraktikabel wäre. Vor allem aber würde durch diese indirekte Repräsentation die europäische Politik einen erheblichen Legitimationsverlust erleiden. Neben der Friedenssicherung war ein Hauptmotiv vergangener und zukünftiger Erweiterungen der Union stets die weitere Demokratisierung in Europa. Es wäre schon bedenklich, wenn man dann ausgerechnet auf der obersten europäischen Gesetzgebungsebene darauf verzichten wollte.
Fischers Modell verschafft den Nationalstaaten, insbesondere deren Regierungen, ein übergroßes Gewicht im Entscheidungssystem: Die "europäische Regierung" soll aus Ministern der Mitgliedstaaten oder aus wie bisher von dem Mitgliedstaaten bestellten Kommissaren bestehen; die zweite Kammer soll eine Vertretung der Mitgliedsstaaten nach dem Senatsprinzip (gewählte Senatoren) oder Bundesratsprinzip (Regierungsvertreter) sein; die erste Kammer soll aus Mitgliedern der nationalen Parlamente bestehen, die in den in Europa üblichen parlamentarischen Systemen ohnehin mehrheitlich die Regierungsposition vertreten. Bei dem Grad an direkter Rückwirkung auf den Bürger, den Politik und Rechtsetzung der EU inzwischen erreicht haben, scheint ein derart intergouvernementalistisches Modell schon jetzt nicht mehr angemessen.